(43:31; Vinyl, CD, Digital; Stickman Records, 2022) Nahezu unerschöpflich scheint die Kreativität der norwegischen Psych-Rocker von Motorpsycho zu sein. Gerade mal ein Jahr ist vergangen, seitdem “Kingdom of Oblivion” das Licht der Welt erblickte. Seit “The Crucible” 2017 erschien, veröffentlichen die Trondheimer im Ein-Jahres-Rhythmus ihre Alben. Nur wenige Bands veröffentlichen in solch einem Tempo. Seit der Bandgründung 1989 wandelt sich die Band in ihrem Stil in alle Richtungen, ohne dabei ihre grundsätzlichen unverkennbaren Motorpsycho-Marker zu verlieren. Von Alternative-Rock, Brit-Pop, Shoegaze über Jazz-Rock, Psych-Rock, Progressive Rock und Stoner … ausprobiert hat sich Motorpsycho definitiv. Dass die Band diesem Tempo und der kreativen Achterbahnfahrt langsam mal überdrüssig wird, ist noch nicht auszumachen. Denn nun erscheint mit “Ancient Astronauts” ihr 26. Album. Und eines vorweg, die Latte bleibt weiterhin recht weit oben.
Die Band war während der Pandemie auf der Suche nach neuen Inspirationen. “Ancient Astronauts” beinhaltet aufgrund dessen einen Teil der von Motorpsycho entworfenen musikalischen Hinterlegung eines Tanzprojektes der Impure Dance Company, das während der Corona-Pandemie für einen kleinen Kreis an Zuschauern aufgeführt wurde. Aufgrund dessen ist „Ancient Astronauts“ kein Werk aus einem Guss. Das Album wurde live im Studio in Oslo aufgenommen und lediglich die Vocals wurden nachträglich hinzugefügt.
Wie bei Motorpsycho oft üblich, ist auch ihr neuestes Werk nur bedingt mit seinen Vorgängern vergleichbar. Das Album schaltet einige Schritte beim Tempo zurück und zeigt sich nicht so farbenfroh wie “The All Is One” oder “Kingdom of Oblivion”. Verstärkt spielen Motorpsycho mit Soundscapes und lassen der Musik viel Raum zum Wachsen. Zwei der vier Tracks mit sind mit zwölf und 22 Minuten ausgedehnte Longtracks. Der Opener ‘The Ladder’ hingegen fällt da etwas aus dem Rahmen. So eröffnet er gewohnt rockig mit knarzendem, verzerrten Bass und antreibendem Rhythmus, wie man es von der Gullvåg-Trilogie (“The All is One”, The Crucible”, “The Tower”) kennt. Aber das war es dann auch schon mit der rockigen Seite der Band auf “Ancient Astronauts”.
Die instrumentale Überleitung ‘The Flower Of Awareness’ baut mit elektrisierend grollenden Soundscapes eine recht bedrohliche Stimmung auf. Fast schon ungewöhnlich für Motorpsycho. Diese Spannung entlädt sich mit dem folgenden ‘Mona Lisa Azrael’ durch seine folkloristische und balladeske Dramatik. Ein zierlicher Gesang, begleitet von weichen Tönen. Der Song nimmt zur Hälfte an Fahrt auf und kippt in ein im Kontrast stehendes, positiv absurd wirkendes, mit rauem Bass-Riffing versetztes Free-Jazz-Intermezzo. Die Ruhe vor dem Sturm, so könnte man es sprichwörtlich nennen. Die anfängliche melodiöse Schönheit und der aufkommende dissonante und experimentelle Ausbruch wissen in ihrer Gesamtheit absolut zu begeistern.
Das 22-minütige psychedelische Instrumental ‘Chariot Of The Sun – To Phaeton On The Occasion Of Sunrise’ mit seinem sphärischen Charakter und deutlichen Pink-Floyd-Anleihen sowie Elementen aus dem Post-Rock, beendet “Ancient Astronauts” ohne harte Kanten und extrovertierte Ausflüge. Ein Titel, der mit seiner langsamen und entspannten Entwicklung genauso überzeugt wie der Opener mit seiner Direktheit und Forschheit. Die Synthiesounds, die Details und das erstaunlich gute Händchen für die ruhigen Töne und emotionalen Momente machen diesen Song sicher zu einem Höhepunkt im Backkatalog der motorisierten Psychotiker. Die Feinheiten und sein Reiz erreichen den Hörer jedoch nur bei konzentrierter Zuwendung.
Wer die Band kennt, hätte ahnen können, dass nach der Gullvåg-Trilogie und “Kingdom of Oblivion” so schnell kein weiteres Motorpsycho Album ähnlicher Machart erscheinen wird. Fast kann man sagen, es wurde langsam Zeit für einen Change. Ob “Ancient Astronauts” nur ein Ausreißer aufgrund der musikalischen Tanzuntermalung ist, steht in den Sternen und zeigt sich spätestens mit ihrem nächsten Album. Aber das macht Motorpsycho eben so großartig. Die Diversität und Wandelbarkeit und vielleicht auch das gelebte “-psycho” im Namen.
“Teapot of the Week” auf Betreutes Proggen in der KW33/2022
“Ancient Astronauts” zeigt Motorpsycho wieder aus mehreren Blickwinkeln. Das Album beginnt rockig, wechselt zu liebreizenden mittelalterlichen Melodien und endet in einem träumerischen Longtrack. Die psychedelische Heiterkeit fehlt hier gänzlich, würde aber auch nicht wirklich passen. Den Schwerpunkt legen die Norweger auf atmosphärische Breite und eine hohe Emotionalität und versuchen vermehrt auf instrumentaler Ebene zu begeistern. Ein Werk, das entspannt genossen werden will. Auch wenn das ebenso großartige ‘The Ladder’ hier stilistisch etwas verloren wirkt und eher auf einen der Vorgänger gepasst hätte, haben Motorpsycho wieder ein überaus gutes Album vorgelegt. Auch wenn die Songfolge etwas gestückelt wirkt. Das sind Motorpsycho mit einem weiteren Gesicht, das wie alle anderen Phasen der Band verblüfft und begeistert. Bewertung: 13/15 Punkten (MK 13, KR 13, KS 12)
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Tracklist: 1. ‘The Ladder’ 2. ‘The Flower Of Awareness’ 3. ‘Mona Lisa Azrael’ 4. ‘Chariot Of The Sun – To Phaeton On The Occasion Of Sunrise (Theme From An Imagined Movie)’
Besetzung: Bent Sæther (Gesang, Bass) Hans Magnus Ryan (Gesang, Gitarre) Kjell Runar „Killer“ Jenssen (Schlagzeug)
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Konzertbericht Köln, 06.05.22 Konzertbericht Düsseldorf, 26.07.18 Konzertbericht Köln, 08.11.17 Konzertbericht Köln, 28.04.16 Rezension “The All Is One” Rezension “The Crucible” Interview Bent Sæther über “The Cruicible” Interview Bent Sæther über “The Tower” Interview Bent Sæther über “Here Be Monsters”
Abbildungen: Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von All Noir zur Verfügung gestellt.
✿✿✿"A Flower?" ❀❀❀ Musik hören, Musik machen, Musik kaufen, Single Malt Whisky! Falls jemand fragt: Vinyl ist das einzig wahre Musikmedium! Keine Diskussion! Wer sich nur auf bestimmte Genre begrenzt, verpasst was! Ausgenommen natürlich Schlager^^
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