Norse Atlantic Airways ist die jüngste Billiglangstreckenairline. Was Reisende erwarten können, hat aeroTELEGRAPH auf einem Flug nach Fort Lauderdale getestet.
Die Boeing 787-9 von Norse Atlantic Airways am Flughafen BER.
Ein Blick in die Premium-Kabine.
Der Sitzabstand ist mit 110 Zentimetern sehr groß. Ein tolles Raumgefühl.
Die Bordunterhaltung kann allerdings nicht überzeugen.
Die Filme sind nicht sehr aktuell.
Die Boeing 787-9 von Norse Atlantic Airways am Flughafen BER.
Ein Blick in die Premium-Kabine.
Der Sitzabstand ist mit 110 Zentimetern sehr groß. Ein tolles Raumgefühl.
Die Bordunterhaltung kann allerdings nicht überzeugen.
Die Filme sind nicht sehr aktuell.
Mitten in der Corona-Pandemie hat in Norwegen der Reedereibesitzer Bjørn Tore die Fluglinie Norse Atlantic Airways gegründet. Er holte zur Umsetzung seines Plans prominente Unterstützer und Mitinvestoren an Bord: Bjørn Kjos und Bjørn Kise, die einst Norwegian gegründet hatten.
Die neue Fluggesellschaft bietet Flüge von europäischen Städten wie Berlin, London, Paris und Rom in die USA an – zu günstigen Tarifen und mit Boeing 787. Der Erstflug fand Mitte 2022 statt. Seit Oktober verbindet Norse die deutsche Hauptstadt mit New York und Fort Lauderdale. aeroTELEGRAPH hat die Premium-Klasse des Langstreckenbilligfliegers auf einem Flug nach Fort Lauderdale getestet.
Buchung/Reservierung: ★★★★☆. Die Webseite von Norse Atlantic Airways ist klar strukturiert und wirkt dank verschiedener, gedeckter Blautöne hochwertig. Die Airline informiert umfänglich zu Reisezielen, der Flotte sowie den beiden Buchungsklassen Premium und Economy. Positiv fällt auf, dass die Seite in sechs Sprachen verfügbar ist.
Zentrales Element ist die Buchungsmaske, die einfach gehalten ist, aber bei der Streckenauswahl negativ auffällt. Denn die Norweger bieten ab Berlin mit New York und Fort Lauderdale nur zwei Direktflüge an. Reisende, die Flüge ab Berlin suchen, haben dank verschiedener Partner-Airlines plötzlich fast 50 Ziele zur Auswahl. Eine Unterscheidung zwischen den Nonstop-Flügen und den Umsteigeverbindungen wäre hilfreich.
Dafür punktet die junge Airline mit einer für eine Billigfluggesellschaft übersichtlichen Preisstruktur. Die beiden Klassen Premium und Economy werden nochmal in drei Kategorien geteilt: Light, Classic und Plus. Reisende bekommen, anders als bei anderen Lowcost-Airlines, den finalen Preis direkt nach der Auswahl angezeigt.
Die Airline ist sehr um guten Kundenservice bemüht und verschickt gerne E-Mails. Einige Tage vor dem geplanten Abflug erinnert Norse in einer Mail mit dem Betreff «Norse Pre-flight Checklist» über geltende Einreiseregeln und benötigte Covid-Zertifikate. Nebenbei weist die Airline auf die zusätzlich buchbaren Serviceangebote wie Gepäck und Bordverpflegung hin.
Einen Tag vor Reisebeginn erhalten wir die Nachricht, dass der Online Check-in geöffnet sei. An sich eine sehr gute Idee, allerdings hat dieser in unserem Fall nicht funktioniert, der Grund blieb unklar. Negativ ist uns zudem aufgefallen, dass wir, so wie wir unsere Buchung auf der Website öffneten, einige Sekunden später per Mail auf die vermeintlichen Anpassungen in der Buchung hingewiesen wurden, allerdings ohne Anpassungen vorzunehmen. Eine App gibt es nicht.
Check-in/Einsteigen: ★★★★☆. Wir sind sehr früh am Berliner Flughafen angekommen, da unser Online-Check-in nicht funktioniert hat. Reisenden der Premium-Class stehen am Berliner Flughafen zwei Schalter zur Verfügung, wobei ein Schalter genutzt wird, um Upgrades zu verkaufen. Economy-Gäste müssen sich mit einem Schalter begnügen, dementsprechend lang ist auch die Schlange.
Norse-Check-in-Schalter am Berliner Flughafen. Bild: aeroTELEGRAPH
Wir mussten nicht lange anstehen, wurden aber von der Check-in-Assistentin im Berliner Tonfall darauf hingewiesen, dass wir umgehend die Sicherheitskontrolle passieren müssen, da noch im Anschluss noch zwei weitere Kontrollen auf uns warten. Hängengeblieben ist folgender Satz: «Nur, wenn sie jetzt starten, werden sie den Flug bekommen». Das machte Panik.
Eine eigene Kontrollspur für Premium-Passagiere fehlt allerdings. Die Panik war völlig umsonst, wir waren deutlich zu früh an unserem Gate. Das Boarding startete pünktlich und verlief völlig reibungslos. Premium-Kunden dürfen dabei als erste den Dreamliner betreten.
Norse-Premium-Reisende erhalten keinen Lounge-Zugang, was bei einer explizit als Billigairline ausgewiesenen Fluggesellschaft auch eher verwundern würde. Manche Mitreisenden wirkten beim Check-in von dieser Information überrascht. Interessierte können diesen aber unabhängig von Norse vor Ort kaufen.
Crew: ★★★★★. Hier könnten wir zehn Punkte vergeben, die Crew war einer der größten Pluspunkt auf unserem Flug. Das Kabinenpersonal war immer freundlich, stets aufmerksam und professionell, dabei aber nie aufdringlich. Schon nach dem Betreten der Premium-Kabine wurde allen Reisenden angeboten, sich gerne auf den Platz ihrer Wahl zu setzen. Insgesamt standen auf unserem Flug nach Fort Lauderdale 14 Reisenden 56 Plätze zur Verfügung.
Ein Mitarbeiter erklärte auf Nachfrage, dass man das immer so handhaben würde, um den Gästen die maximale Privatsphäre zu ermöglichen. Die zwei für die Premium-Kabine verantwortlichen Crewmitglieder waren stets aufmerksam, boten von sich aus neue Getränke an oder räumten Tische ab, wenn wir kurz auf der Toilette waren.
Kabinenausstattung: ★★★★★. Die Premium Class der Boeing 787-9 von Norse Atlantic Airways ist in einer 2-3-2 angeordnet. Wir müssen an dieser Stelle betonen, dass Norse diese bewusst nicht als Business Class verkauft. Es handelt sich bei der Ausstattung der Kabine um eine solide Premium Economy Class. Ähnlich wie die Website wirkt auch die Kabine mit den grauen Ledersitzen gediegen und hochwertig. Nichts erinnert an eine Billigfluggesellschaft.
Das Raumgefühl in der Maschine ist sehr großzügig. Den Premium-Reisenden stehen zwei Toiletten zur Verfügung. Warten mussten wir nie. Ein kleines Highlight erwartete uns kurz vor Ende des Fluges. Das Licht wurde zur Landung gedimmt, aber statt leichter Dunkelheit gab es verschiedene Farbwechsel, die ein wenig an das Flackern der Polarlichter erinnerten.
Das Kabinenlicht erinnert an die Polarlichter. Bild: aeroTELEGRAPH.
Sitz: ★★★★☆. Norse bietet in ihren aktuell acht Dreamlinern einen geräumigen, soliden Sitz, der sich weit nach hinten klappen lässt. Auch eine kleine Fußstütze lässt das Komfort-Level wachsen. Dank der höhenverstellbaren und seitlich abknickbaren Kopfstützen finden wir meist eine bequeme Sitz- und auch Schlafposition. Was allerdings wirklich überzeugt ist, ist der Sitzabstand von knapp 110 cm. Damit haben wir eine Menge Platz.
Der Bildschirm, als auch ein kleiner Tisch lassen sich bequem aus den Armlehnen klappen. Wir hatten keinen direkten Sitznachbarn, dadurch konnte der Nachbartisch bis auf Start-und Landung dauerhaft aufgeklappt bleiben und bot eine große Abstellfläche.
Sauberkeit: ★★★★★. Volle Punktzahl. Die Kabine war extrem sauber. Es fanden sich an den Fenstern keine Fettflecken. Auch beim Öffnen der Tische oder des IFE-Bildschirms klebte nichts oder ist verdreckt.
Unterhaltungssystem: ★★☆☆☆. Das Inflight-Entertainment ist für uns das größte Manko auf unserem Flug in die USA. Während der Bildschirm in Größe und Schärfe noch überzeugen kann, sind die ausgeteilten Kopfhörer aufgrund der schlechten Tonqualität nicht nutzbar. Es können aber eigene Kopfhörer dank eines 3,5-Klinke-Eingangs genutzt werden.
Zur Auswahl: Wir haben zu Beginn des Fluges neugierig alle Filme und TV-Shows durchgescrollt und auch nach mehrmaliger Wiederholung nichts gefunden, was wir schauen wollten. Neben einigen recht unbekannten neuen Filmen gibt es viele Filme wie: Ein Hund namens Beethoven (1992), Blue Crush (2002) oder Patch Adams (1998). Alle nicht unbedingt Klassiker der Filmgeschichte. Auch die Auswahl an Fernsehshows überzeugt nicht.
Es gibt auch keine Karte, die den aktuellen Flugverlauf zeigt. Einzig die Kerndaten wie Restflugzeit, Außentemperatur, Höhe und Geschwindigkeit werden angezeigt. Das ist sehr schade und enttäuscht uns.
Wifi/Strom: ★★★☆☆. W-Lan ist bei Norse (noch) nicht verfügbar. Bei einer Netzwerkairline würden wir das stärker bestrafen als bei einer Billigairline. Dagegen verfügt jeder Sitz über einen Strom- und einen USB-Anschluss, an denen man seine Geräte laden kann. Sowas kennen wir von anderen Billiglangstrecken-Airlines nicht. Manche Konkurrenten lassen sich den Stromanschluss extra bezahlen. Und selbst bei großen Fluggesellschaften fehlt mitunter die Strombuchse.
Mahlzeiten: ★★★★☆. Als Willkommensgetränk wurden Orangensaft, Apfelsaft und Wasser gereicht. Der erste Getränkeservice erfolgte eine halbe Stunde nach dem Start. Alle nicht alkoholischen Getränke sowie Bier, Wein und Schaumwein waren in der Premium Class inklusive. Longdrinks oder Schnäpse gab es nur gegen Bezahlung. Die Auswahl an den inkludierten Alkoholika ist allerdings nicht groß. Wer nach einem Bier fragt, bekommt ein Bier, aber es werden keine Biersorten zur Wahl gestellt.
Das Abendessen hat geschmacklich überzeugt. Bild: aeroTELEGRAPH
Überrascht hat uns, dass jeder Premium-Reisende sich den Zeitpunkt seines Dinners selbst aussuchen konnte, was wahrscheinlich wieder an der tollen Crew gelegen haben könnte. Beim Dinner hatten wir die Wahl zwischen Hühnchen in Tomatensoße mit Pasta oder Lachs mit Spinat, Weißweinsauce und Kartoffelpüree. Wir haben uns für den Lachs entschieden. Der Fisch war sehr gut gewürzt und nicht trocken, auch der Spinat war sehr geschmackvoll und der Kartoffelbrei überzeugte dank seiner Dillnote. Dazu wurde ein Brötchen mit Butter gereicht. Als Dessert gab es Schokoladenpudding mit Karamellsauce. Zum Essen bestellten wir Weißwein, auch hier keine Wahlmöglichkeit, was dem Geschmack keinen Abbruch getan hat.
Die zweite Mahlzeit wurde eine Stunde vor der Landung gereicht. Es war eine sehr geschmacksneutrale Käsepizzastange. Deutlich besser war hingegen das gereichte Stück Kuchen.
Leider wurden während des gesamten Flugs keinerlei Snacks gereicht. Wir fragten dann nach ein paar Chips, diese mussten wir allerdings kaufen.
Extras: ★★★☆☆. Amenity Kits sucht man bei Norse vergeblich. Wir haben aber eine kleine Microfaserdecke bekommen – auch die muss man bei anderen Billiagirlines mitunter bezahlen. Mehr nicht. Für eine Billigairline ist das okay, mit einem kleinen Plus hätte Norse hier relativ leicht punkten können.
Gesamtnote: 3,9 – Gut (Skala: Sehr gut = über 4,5, Gut = 3,7 bis 4,4, Befriedigend = 2,7 bis 3,6, Schlecht = 2,0 bis 2,6, Sehr schlecht = unter 2,0)
Fazit: Wer zu einem fairen Preis mit modernen Flugzeugen von Berlin in die USA fliegen möchte, dem sei Norse Atlantic Airways empfohlen. Die Fluggesellschaft hat uns mit ihrem großzügigen Platzangebot, der tollen Crew und dem Preis überzeugt. Norse ruft rund ein Drittel weniger auf als die großen europäischen Netzwerk-Carrier für die Premium Economy Class. Bei alledem darf nicht vergessen werden, dass es sich um eine Billigfluggesellschaft handelt.
Der Testflug verursachte 581 Kilogramm CO2. Wie bei allen Dienstreisen kompensierte aeroTELEGRAPH diese Emissionen durch die Unterstützung von Aufforstungsprojekten und den Kaufs von Biokerosin über den Kompensationsanbieter Compensaid.
Das Flugticket für diesen Test wurde von Norse Atlantic Airways zur Verfügung gestellt. Die Tester von aeroTELEGRAPH hatten bei ihrem Urteil trotzdem freie Hand. Die Fluggesellschaft nahm weder Einfluss auf den Inhalt des Artikels noch stellte sie irgendwelche Bedingungen. Das würde dem Verhaltenskodex von aeroTELEGRAPH widersprechen.
Hamburg, Köln, München15. März 2023
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